INGEDE News

November 2019

Wie Druckerzeugnisse rezyklierbar werden (und bleiben)

Druckerzeugnisse befinden sich in zunehmendem Wettbewerb mit den elektronischen Medien. Nicht wenige Menschen glauben, eine Zeitung am Bildschirm zu lesen, sei nachhaltiger als auf Papier. Dass dies ein Irrglaube ist, zeigen zahlreiche Ökobilanzen, siehe auch INGEDE News im Oktober.

Große Unternehmen behaupten gegenüber ihren Kunden, ein Verzicht auf Kontoauszüge, Telefon- und andere Rechnungen und andere Informationen auf Papier schone die Umwelt – in Wirklichkeit schont der Absender damit seinen Geldbeutel vor allem durch die Portoersparnis.

Abgesehen von den Klimafolgen des elektronischen Versands kostet schon der dezentrale Druck einer Telefonrechnung am heimischen Tintenspritzer Kunden wie Umwelt mehr als der Massendruck auf einer großen, „richtigen“ Druckmaschine. Die britische Initiative TwoSides hat inzwischen mehr als 440 Unternehmen teils mit Abmahnungen in Zusammenhang mit falschen Umweltaussagen in Beweisnot gebracht und dazu, solche Aussagen zurückzunehmen. TwoSides kämpft seit langem gegen die angebliche Umweltfreundlichkeit elektronischer Medien.

Den ökologischen Vorteil behalten Papierprodukte nur solange das Recycling funktioniert – und dazu müssen die Auftraggeber und Inverkehrbringer von Druckprodukten verstärkt darauf achten, recyclingfreundlich zu produzieren.

Zeitschriften in Folie, eingeschweißte Bücher – wie böse ist Plastik?

Plastik ist zum Problembär geworden – jeder will nur noch raus aus dem Kunst-Stoff. Dabei ist es wie mit vielen Dingen: Aktionismus ist gar nicht gut, und wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Denn es kommt auf den richtigen Umgang mit Folien & Co. an – den müssen viele erst noch lernen. Klar, Verhaltensänderungen sind schwer durchzusetzen, aber muss man den Menschen die Plastiktüten deshalb einfach wegnehmen? Wer die Tüte mehrfach verwendet und zum Schluss als Ersatz für einen neuen Müllbeutel entsorgt, tut schon mehr für die Umwelt: Mitdenken ist gefragt.

Viele Verpackungen lassen sich durch Papier ersetzen, aber längst nicht alle. Es lohnt sich, Ökobilanzen zu lesen. Und schon vor vielen Jahren berichteten die Medien darüber – in der F.A.Z. ein lesenswerter „Brief an REWE“ mit dem Titel „Die ach so ökologische Papiertüte„. Darin erinnert sich der Autor, schon zehn Jahre vorher über die ökologischen Vorteile der Plastiktüte gegenüber Papier berichtet zu haben („Plastik statt Jute„).

In Folie eingeschweißt bleibt das Buch länger frisch. Selbst Buchkäufer wollen ein neues Produkt, das vor ihnen niemand angegrabbelt und verschmutzt hat. Auch hier ist „Biofolie“ keine sinnvolle Alternative. Ein verantwortungsvoller Leser wird außerdem die Folie nach dem Öffnen nicht in einem italienischen Straßengraben entsorgen.

Selbst Umweltschützer raten von Bioplastiktüten jeglicher Zusammensetzung ab. Gleiches gilt sinngemäß für Verpackungsfolien.

https://www.awm-muenchen.de/uploads/tx_templavoila/Tollwood_Anzeige_Plastikblume.jpgDas steht auf der Seite des Münchner Abfallwirtschaftsamtes: Plastiktüten (auch sogenannte „kompostierbare Biobeutel“) gehören nicht in die Biotonne! „Kompostierbare Biobeutel“ aus „Bio“-Kunststoffen brauchen viel zu lange zum Verrotten in unseren Anlagen. Bitte benutzen sie zum Sammeln im Bio-Eimer ein wenig Zeitungspapier, Küchenkrepp oder unbeschichtete Papierbeutel. Lesen Sie hierzu auch unsere Pressemitteilung.

Das Umweltbundesamt hat eine ganze Seite mit der Überschrift Tüten aus Bioplastik sind keine Alternative.

Und Alnatura, bekannter Hersteller von Bio-Lebensmitteln, schreibt: Kompostierbare Biokunststoffe sollen nicht in der Wertstofftonne bzw. dem gelben Sack entsorgt werden. Dort mindern sie die Recyclingqualität der herkömmlichen Kunststoffe. (…) Daher ist es sinnvoll, kompostierbare Kunststoffe nicht in der Biotonne oder auf dem Kompost, sondern im Restmüll zu entsorgen.

Untersuchungen der INGEDE haben gezeigt, dass auch bei Laminierfolien das Bioplastik schlechter abschneidet als konventionelle Polymere: Die Biofolie zerfiel beim Auflösen im simulierten Recyclingprozess in kleine Schnipsel, die sich nicht ausreichend entfernen ließen und die Produktion neuen Papiers beeinträchtigen können. Anders die klassische Folie: Diese blieb im Sieb hängen und konnte so von den Papierfasern getrennt werden.

Besser als ihr Ruf: EinkaufAktuell, die Werbepackung der Post

Von vielen Anti-Plastik-Initiativen angefeindet ist doch die hauchdünne Folienumhüllung um EinkaufAktuell besser als ihr Ruf: Sie soll den Werbestapel zusammenhalten und während des Transportes vor Regen und Verschmutzung schützen. Eine Papierhülle wäre wesentlich weniger umweltfreundlich; allein wegen des deutlich höheren Gewichts stiegen Transportkosten und Treibstoffverbrauch.

Die dünne Plastikfolie um Einkauf Aktuell herum lässt sich beim Papierrecycling problemlos entfernen.Die INGEDE arbeitet schon seit 2010 intensiv mit der Post zusammen. Damals wurde auf Vorschlag der INGEDE die Folie perforiert, damit die Verpackung beim Papierrecycling aufbrach. Diese Perforation wurde inzwischen von einem offenen Umschlag abgelöst. So können alle Papierfasern zurückgewonnen werden, auch wenn gelegentlich eine Werbepackung mitsamt der Folie im Altpapiercontainer landet.

Anders die meisten eingeschweißten Zeitschriften, teils mit Zugaben nicht nur für Kinder, oder die Werbesendungen von Großmarktketten: Hier öffnet sich die Folienverpackung in der Regel nicht, die Fasern werden allenfalls feucht und müssen dann als Matsch in Folie teuer entsorgt werden.

Noch ein Mythos zum Thema Papier:
Papier kann sieben Mal recycelt werden

Die sieben Leben der Faser – klingt gut, ist aber ein Mythos. Vor allem die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass Papier sieben Mal recycelt werden könne. Und was ist dann? Nur noch Staub?

Untersuchungen der TU Darmstadt belegen, dass die Fasern wesentlich mehr Recyclingzyklen durchlaufen können und Papier damit wesentlich häufiger rezykliert werden kann als bisher angenommen wird.

Was stimmt nun? Richtig ist, so Hans-Joachim Putz (TU Darmstadt):

Papierrecycling funktioniert nur unter ständiger Zufuhr von
Frischfasern, weil:
○ nie alle Papierprodukte in den Papierrecyclingkreislauf
zurück geführt werden (allg. werden ca. 19 % aller
Papierprodukte (inkl. Hygiene- und Spezialpapiere) als
nicht erfassbar eingestuft).
○ die Altpapieraufbereitung stets von Faserverlusten
begleitet wird.

Ohne Frischfaserzufuhr würde daher der Papierrecyclingkreislauf
mangels Masse in absehbarer Zeit zusammenbrechen.

Korrekt ist auch, dass die Fasern grundsätzlich durch das
Recyceln nicht unbedingt „besser“ werden, allerdings ist der
stets postulierte Grad des Festigkeitsverlustes stoffabhängig
und begrenzt.

Im Fazit eines Vortrags (PTS 2018) zu Untersuchungen zum Mehrfachrecycling sagt Putz:

Die vereinfachende Aussage, dass sich Papierfasern vier bis sieben Mal rezyklieren lassen ist widerlegt. Literaturstellen belegen für verschiedene Primärfaserstoffe bis zu 12 Recyclingzyklen, wobei die größten Veränderungen während der ersten drei bis vier Zyklen auftreten. Modellierungen die ein mittleres Faseralter ausweisen beruhen auf Massenbilanzierungen und geben keine Auskunft darüber, wie viele Recyclingzyklen eine Faser ohne nennenswerte Schädigungen tatsächlich überstehen kann.

Sofern Papier nicht aus Primärfasern hergestellt wird, muss in der
Realität stets eine Mischung an Fasergenerationen unbekannten
Alters rezykliert werden. Daher können Versuche mit einer definierten Anzahl an Recyclingzyklen nur im Labor- bzw. Pilotmaßstab durchgeführt werden.

Axel Fischer

Für ein erfolgreiches Deinking

… gibt es einen Anbieter, der Fotobücher u. a. nicht mit der für ein Papierrecycling ungeeigneten Indigo-Technik produziert, sondern mit Trockentoner: Bei einer Untersuchung der INGEDE waren Kalender von my moments gut deinkbar, die des marktbeherrschenden Konkurrenten fielen beim Test durch. my moments wirbt damit auch auf seiner Webseite.

Musterblätter aus dem Labor: mit Indigo gedruckter Kalender vor (links) und nach dem Deinken

Mit Trockentoner gedruckter (und sogar lackierter) Kalender vor und nach dem Deinken

Mehr zu den Problemen beim Recycling von Indigo-beschichteten Papieren, daran hat sich nichts geändert.

Werbung für Recyclingpapier aus der aktuellen Burda-Kampagne für Print:

Neue Anleitung für

recyclinggerechte Verpackungen

 
Deutsch: Wie Verpackungen aus Papier so ausgelegt werden, dass sie von der Papierindustrie auch wieder gut recycelt werden können. Ein neuer Leitfaden der CEPI zusammen mit weiteren Branchenverbänden.
 
Den Leitfaden gibt es nur in englischer Sprache – hier können Sie ihn herunterladen.

Gesunkener Export nach China noch nicht kompensiert:

Recyclingrate von Papier leicht rückläufig

China importiert weniger Altpapier, weniger als die Hälfte gegenüber den Vorjahren. Das wirkt sich auf die Recyclingrate von Papier und Pappe aus, denn trotz mehr Recycling in Europa und Exporten in andere Länder sank die Recyclingrate in Relation zum verbrauchten Papier leicht auf 71,6 Prozent. Auch der Rückgang beim Verbrauch von Zeitungspapier mit hohen Recyclingraten wirkt sich hier aus.

Details im gerade erschienenen Monitoring-Report 2018 des Europäischen Altpapierrats (ERPC) hier zum Herunterladen.