Altpapier automatisch sortieren:
Infrarot-Augen erkennen störende Flexodrucke und Karton

INGEDE kooperiert mit CTR in Villach

Pressemitteilung 1/2007

Papierrecycling schont die Umwelt – und ist ein Beitrag zum Klimaschutz, da so Energie und Ressourcen eingespart werden. Deshalb soll immer mehr Papier recycelt werden, und deshalb produzieren die Papierfabriken auch qualitativ immer höherwertige Papiere aus Altpapier oder mit Anteilen von Altpapier. Dazu muss allerdings der Rohstoff immer sorgfältiger kontrolliert und sortiert werden.

Denn immer mehr Erfassung beim Haushalt bedeutet leider in vielen Fällen auch eine Verschlechterung der Qualität. Papierfremde Bestandteile wie Holz, Kunststoffe, Metall oder Textilien müssen vor dem Recycling aussortiert werden. Um aus Altpapier wieder neues, helles Zeitungsdruckpapier herstellen zu können, muss das helle Altpapier – vor allem Zeitungen und Zeitschriften – frei von braunem Karton sein.

Doch selbst in den hellen Zeitungspapieren schlummern Probleme. Um aus Altpapier das weiße Papier für Zeitungen und Zeitschriften, Kopierpapier oder Hygienepapiere herzustellen, muss die Druckfarbe entfernt werden – diesen Prozess bezeichnet man als Deinking (nach dem englischen Wort „ink“ für Druckfarbe). Seit einigen Jahren werden in England und in Italien Zeitungen im Flexodruck hergestellt. Im Gegensatz zu den üblichen Offset-Zeitungen lassen sich Flexozeitungen derzeit nicht deinken und müssen daher aussortiert werden.

Optische Sensoren zählen zu den Spezialitäten des Forschungszentrums CTR in Villach im Süden Österreichs. Die CTR hat sich mit der „Spectral Imaging Technology“ und zahlreichen Industrieprojekten auf diesem Gebiet international einen Namen gemacht. Deshalb hat die INGEDE, ein europäischer Verband von Papierfabriken, gemeinsam mit der CTR ein Projekt gestartet, das die automatische Sortierung von Altpapier für das Deinking mit dieser Technik optimieren soll. Ziel ist, nicht nur papierfremde Verunreinigungen wie Kunststoff oder Holz zu erkennen und auszuschleusen, sondern auch unerwünschte Papiere wie Karton oder massegefärbte Werbezettel.

Flexozeitungen behindern das Recycling schon in geringen Mengen

Sogar die mit bloßem Auge praktisch nicht zu unterscheidenden Flexozeitungen soll das geplante Sensorsystem in Echtzeit erkennen. „Das ist die größte Herausforderung für uns. Bisher kann man Flexozeitungen, die im Zuge der Globalisierung des Altpapierhandels aus England oder Italien über die Grenzen kommen, nur anhand des Titels erkennen“, sagt Raimund Leitner, Projektleiter bei der CTR. „Unser System soll das am Fließband automatisch schaffen, innerhalb von zehn Millisekunden oder weniger.“

Bisher wird Altpapier meist von Hand am Fließband sortiert. Vor allem die Kartonanteile aus dem fast immer gemeinsam mit Verpackungen gesammelten Altpapier müssen so sorgfältig wie möglich entfernt werden. Der „Klassiker“ unter den Infrarot-Sensoren kann automatisch Papier und Karton unterscheiden. Vier Anlagen in Deutschland und zwei in Österreich nutzen inzwischen die von der CTR entwickelte Technik. Ist der störende Karton einmal erkannt, bläst ihn ein präziser, kräftiger Luftstrahl aus einer Düse in einen separaten Schacht.

Das neue System hat eine höhere Auflösung und einen größeren Spektralbereich, um sogar Flexodruckfarben erkennen und aussortieren zu können. Ein Prototyp dieser Anlage ist mechanisch fertig gestellt und läuft im Forschungszentrum in Villach, die ersten Ergebnisse der neuen Bilderkennung sind viel versprechend.

Reflektierte Lichtstrahlen verraten Papier und Farbe

Der „stoffliche Fingerabdruck“ eines Materials beruht auf der Klassifikation durch Sensorsysteme im nahen Infrarot und im sichtbaren Licht. Die Probe wird mit einer Lichtquelle angestrahlt.  Ein Teil des Lichtes wird dabei absorbiert, das restliche Licht reflektiert. Im reflektierten Lichtstrahl zeigen sich materialtypische Signaturen – sozusagen ein stofflicher Fingerabdruck, der zuverlässig das Material identifiziert. Vor allem die Nahinfrarot-Spektren liefern wichtige Informationen, die das sichtbare Licht nicht verrät. Die Bilder erlangen damit  eine zusätzliche Dimension: Länge, Breite und stoffliche Information. Das ermöglicht die simultane berührungslose Messung und ortsaufgelöste Analyse mehrerer hundert Spektren mit einem Kamerabild. „Die Hardware alleine macht noch kein System aus. Erst in Kombination mit entsprechenden Algorithmen wird daraus ein intelligentes System“, erklärt Leitner. „Für den Einsatz in der Industrie ist eine Online-Klassifikation notwendig, die vor allem eine Erkennung in Echtzeit erlaubt. Echtzeit bedeutet in diesem Fall, dass üblicherweise nur etwa zehn Millisekunden, oft auch deutlich weniger, für die Erfassung, Verarbeitung und Klassifikation einer Bildzeile zur Verfügung stehen. Nur mit einer Klassifikation in dieser Geschwindigkeit können industrielle Sortiersysteme entwickelt und realisiert werden.“

Die multispektrale Bildverarbeitung wird schon lange in der Kunststoffsortierung eingesetzt. Auch die Nahrungsmittelindustrie nutzt diese Technik, beispielsweise um die Qualität und den Reifegrad von Obst oder Gemüse zu ermitteln oder um Verunreinigungen an Geflügel zu erkennen. In der Mineralogie können die Systeme dabei helfen, echte von falschen Türkisen zu unterscheiden, Gesteine zu erkennen oder Bohrkerne zu bewerten. Auch in der Medizintechnik hilft das Verfahren (Dermatologie, Kosmetik, plastische Chirurgie).

Die INGEDE wurde 1989 als Zusammenschluss führender europäischer Papierhersteller gegründet. Ziel der INGEDE ist es, die Verwertung von hellem Altpapier (Zeitungen, Zeitschriften und Büropapiere) zu neuem grafischem Papier und zu Hygienepapieren zu fördern und die Rahmenbedingungen für einen erhöhten Altpapiereinsatz zu verbessern.

28. Juni 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  • Webseite des CTR-Forschungszentrums: www.ctr.at

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