INGEDE News Frühjahr 2021 –
Das INGEDE-Symposium im März mit mehr Teilnehmern denn je!

INGEDE Symposium 2021 online am 2. März

INGEDE-Symposium 2021, Moderation Axel FischerMehr Teilnehmer als in den letzten Jahren dank des online-Formats: In einem behelfs­mäßigen Studio stand lediglich der Moderator vor der Kamera, alle anderen Referenten sowie die Teilnehmer waren über Internet zugeschaltet.

INGEDE-Symposium 2021: „Die Kreislaufwirtschaft von Papier muss aktiv gestärkt werden“

Link zum Bericht über das INGEDE-Symposium 2021 in EU-RecyclingEin Bericht über das Symposium von Marc Szombathy, erschienen in der Zeitschrift EU Recycling.

Das INGEDE-Symposium 2021 am 2. März im digitalen Format deckte wieder alle Aspekte des Papierrecyclings ab: von der Rezyklierbarkeit über die Altpapiererfassung bis hin zum Deinkingprozess.

Erörtert wurden die Herausforderungen, die neue Druckfarben und eine Vielzahl von unterschiedlichen Klebstoff-Applikationen an das Recycling stellen. Angesichts steigender Mengen an weißen Verpackungen geht es für die Deinker weiterhin um die Frage: Wie kann die Papierindustrie von der neuen Verpackungsgesetzgebung profitieren? Im Fokus standen zudem Verfahren zur besseren Sammlung und Sortierung sowie Identifizierung von Fremdstoffen im Altpapierstrom.

Unter der Moderation von Axel Fischer (INGEDE) beleuchtete die Fachtagung zunächst die Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Büchern und das neue EU-Ecolabel für Druckprodukte. Referenten waren hier Wolfram Dietz (bifa Umwelt­institut), Andreas Steenbock (Steinbeis Papier), Antonia Pott (RAL gGmbH) und Malgorzata Kowalska (EU-Kommission).

Im Anschluss berichtete Martin Drews (Verband Deutscher Papierfabriken), dass in Europa Altpapier in ausreichender Menge verfügbar ist. Der VDP schätzt, dass es im vergangenen Jahr bei einem Altpapieraufkommen von circa 58,7 Millionen Tonnen und einem Verbrauch von 54,5 Millionen Tonnen einen deutlichen Überschuss von mehr als vier Millionen Tonnen in Europa gab. Die Verfügbarkeit ist in Europa aber von Land zu Land unterschiedlich, und auch die Qualitäten des verfügbaren Altpapiers variieren.

Der Anteil des Rohstoffes Altpapier bei der Papierherstellung wird voraussichtlich weltweit wachsen; damit steigt der Verbrauch. Dies kann auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeit in Europa haben – mit der Wirkung, dass der bisherige Überschuss an Altpapier im europäischen Markt (inklusive der Türkei) in den kommenden Jahren zurückgeht. Um dem entgegenzuwirken, müsse die Kreislaufwirtschaft von Papier aktiv gestärkt werden.

Drews plädierte für die Entwicklung einer lückenlosen und qualitativ hochwertigen kommunalen Altpapiererfassung in ganz Europa. Die Kommunen sollten bei der langfristigen Rohstoffsicherung und der Erreichung ambitionierter Recyclingquoten mithelfen und unterstützen. Es gelte, die Erfassung an der Quelle zu verbessern. Die Sortierer und Lieferanten sollten das Altpapier den Altpapier-einsetzenden Unternehmen in einer richtigen Qualität bereitstellen, damit es auch für die Papierherstellung verfügbar ist – also die Sortiertiefe erhöhen. Rohstoffimporte nach Deutschland müssten im Hinblick auf die Rohstoffversorgung gesichert und erleichtert werden.

Martin Drews sprach sich in diesem Kontext für eine Stärkung des Binnenmarktes aus und zeigte sich überzeugt, dass gemeinsam mit allen Stakeholdern in der Wertschöpfungskette Altpapier dessen Verfügbarkeit in Europa auch in der Zukunft gesichert werden kann.

Rückkehr in den Status quo ante Corona?
Der Vortrag von Marc Ehrlich (Vipa) hatte die Verfügbarkeit von grafischem Altpapier und dessen Anteil in der Sammlung zum Thema. So hat sich in den letzten sechs Jahren die Zusammensetzung von haushaltsnah erfasstem Altpapier auffällig verändert: Immer weniger Broschüren, Illustrierte oder Anzeigenblätter. Die Printwerbung in Deutschland ist um 12,6 Prozent zurückgegangen. Es werden immer weniger grafische Papiere produziert, die dann dem Altpapierrecycling fehlen.

Der Trend geht eindeutig zu weißen Büro- und Verpackungspapieren, was auch der Pandemie – durch Homeoffice – geschuldet ist. Achim Wiese (ROWE Gesellschaft für Rohstoffhandel, Wertstoffrecycling Entsorgung mbH) beobachtet zudem einen Anstieg des Fremdstoff-Anteils in den Altpapiermengen aus der haushaltsnahen Sammlung durch Fehlwürfe und mangelnde Sortierleistung der Aufbereiter: „Es ist immer mehr Müll im Altpapier, der bei den Papierfabriken ankommt.“ Der Experte glaubt nicht, „dass die Mischung aus am Straßenrand gesammeltem Material in den Status quo ante Corona zurückkehren wird“.

Trend zur Digitalisierung beschleunigt
Nach Zahlen des VDP betrug 2020 die Altpapiereinsatzquote der deutschen Papierindustrie 79 Prozent, ein Prozent mehr als im Jahr davor. Insgesamt produzierte die Papierindustrie 2020 rund 21,4 Millionen Tonnen Papier, Karton und Pappe. Der Umsatz der Branche insgesamt fiel um 11,6 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro. Die Produktion von Verpackungspapieren – der größten Sortengruppe in Deutschland – legte im Krisenjahr 2020 um 2,6 Prozent auf 12,4 Millionen Tonnen zu. Grund für die positive Entwicklung war die in der Corona-Pandemie gestiegene Nachfrage nach Verpackungen für Lebensmittel und den Online-Handel. Auch die Hygiene-Papiere verzeichneten ein Produktionswachstum von zwei Prozent. Die Hamsterkäufe bei Toilettenpapier hatten die Hersteller vor besondere Herausforderungen in Produktion und Logistik gestellt. 2020 wurden insgesamt 1,5 Millionen Tonnen Hygienepapiere produziert, etwa die Hälfte davon Toilettenpapier.

Deutlich zurück ging im Jahr 2020 die Produktion von grafischen Papieren. Hier sank die Produktion um 15,1 Prozent auf sechs Millionen Tonnen. Die Corona-Pandemie hat zum einen den Trend zur Digitalisierung weiter beschleunigt; zum anderen gab es besonders im zweiten Quartal 2020 durch den Lockdown hervorgerufene Einmaleffekte, zum Beispiel bei der Verschiebung von Werbemaßnahmen und der Schließung von Verkaufsstellen. Das trifft die gesamte Wertschöpfungskette Print. Nahezu unverändert blieb mit minus 0,2 Prozent die Produktion von Papieren und Pappen für technische und spezielle Verwendungszwecke; darunter fallen zum Beispiel Dekorpapiere für die Möbelindustrie. Hier lag die Produktion bei rund 1,4 Millionen Tonnen.

Grafische Papiere und Verpackungen getrennt sammeln?
Diskutiert wurde des Weiteren, ob grafische Papiere und Verpackungen getrennt an der Quelle erfasst werden können und sollten. Achim Wiese sieht das unter dem Kostenaspekt als nicht realisierbar an: „Wenn wir nur Verpackungen sammeln, dann hat man ein enormes Volumen im Sammelfahrzeug. Aber das Gewicht ist sehr gering. Und das ist vom CO2-Fußabdruck auch sehr fragwürdig. Wir müssen darüber nachdenken, ob das Single-Stream-Recycling, wie es in den USA und anderen Ländern praktiziert wird, zu einer Qualitätssteigerung führen kann – indem dann besser sortiert wird.“

Eine weitere Vertiefung und Ausweitung des Trennsystems würde auch auf keine Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. Und es sei fraglich, ob eine getrennte Erfassung noch genügend Mengen an grafischen Papieren für das Deinking hervorbringt. Eine Qualitätssteigerung bei der Altpapiersortierung sei außerdem kostenintensiv. Sind die Papierfabriken bereit, höhere Preise für besser sortierte Ware zu bezahlen? Wie Sortierprozesse durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz optimiert werden können, stellten Johannes Jacoby (Tomra Sorting Recycling) und Victor Reutenauer (Fotonower) vor. So hat das französische Unternehmen Fotonower eine kamerabasierte Lösung zur Qualitätserkennung bei der Eingangskontrolle in Sortierbetrieben entwickelt.

Den aktuellen Stand der Forschung bei mineralölfreien Druckfarben überblickte Philipp Stolper (Fogra). Seit 2016 arbeitet das Fogra Forschungsinstitut für Medientechnologien e.V. in einem Förderprojekt an der Markteinführung von mineralölfreien Coldset-Farben. Ziel des Forschungsprojekts war es, zwei Farbserien so weit zu entwickeln, dass ihr dauerhafter Einsatz in Druckereien möglich ist. Dies sollte durch dreimonatige Praxisversuche nachgewiesen werden. Neben der Anwendbarkeit lag ein Schwerpunkt auf der Deinkbarkeit der Produkte sowie auf der Analyse der Mineralölgehalte nach der BfR-Methode. Die neu entwickelten Druckfarben wurden in der Druckmaschine der Frankfurter Societäts-Druckerei eingesetzt. So wurde die Funktionalität nur auf einem Coldset-Maschinentyp getestet.

Erste Druckversuche auf der Coldset-Maschine begannen 2018; seitdem wurde die Deinkbarkeit durch Anwendung der Ingede 11-Methode auf Druckmuster aus der Coldset-Maschine überwacht. Im Jahr 2020 waren die Druckfarben bereit, in einem Langzeitversuch für drei Monate eingesetzt zu werden. Während dieser Zeit wurde die Deinkbarkeit regelmäßig überprüft. Zusätzlich konnten identische Druckmuster mit den konventionellen Farben eines Farbherstellers hergestellt werden. Für diese Deinkbarkeitstests wurden zwei Papiersorten verwendet: eine mit 50 Prozent DIP und eine, die aus 100 Prozent DIP bestand. So war es möglich, die Deinking-Eigenschaften der mineralölfreien Druckfarben mit denen der konventionellen, mineralölbasierenden Druckfarben zu vergleichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Deinkbarkeit von mineralölfreien Coldset-Farben noch nicht vollständig gelöst ist und weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Die detaillierte Auswertung der Deinkingtests wurde in diesem Vortrag von zwei verschiedenen Druckfarbenherstellern vorgestellt.

Frankreich ist das einzige europäische Land, das ein gesetzliches Verbot von Mineralölen auf Papier und Verpackungen definiert hat. Als verantwortliche Herstellerorganisation für Verpackungen und grafische Papiere in Frankreich hat sich Citeo 2018 an einem globalen Aktionsplan zur Mineralölproblematik beteiligt, ein Malus-System für Verpackungen (2020) und grafische Papiere (2021) eingeführt und einige F&E-Arbeiten geleistet, um bei der Entwicklung einiger mineralölarmer Alternativen zu helfen. Vertreten war die Organisation durch Jean-François Robert.

Mit der Deinkbarkeit von UV-härtenden Druckfarben (IGF 20476) befasste sich der Vortrag von Beatrix Genest (SID). Ein Projekt untersuchte die Deinkbarkeit von UV-Drucken und den Verbleib von gesundheitlich bedenklichen Stoffen. Ziel war eine objektive Bewertung der Deinkbarkeit von UV-Druckprodukten in Abhängigkeit von den Druckbedingungen, unter Berücksichtigung der Druckfarbe, der Papierqualität und der Farbhärtung. Am Ende konnte das Deinkingverhalten von UV-Druckfarben mit konventionellen Bogenoffsetdrucken mit und ohne UV-Lack verglichen werden.

In Phase eins wurden UV-Akzidenzdrucke untersucht. Von 38 Druckaufträgen, die von verschiedenen Druckereien zur Verfügung gestellt wurden, wurden 28 getestet: 17 bestanden und elf fielen durch den Deinkbarkeitstest. Der Grund für das Nichtbestehen der Proben waren immer Schmutzpunkte. Bei der Betrachtung der Einflussfaktoren zeigte sich keine Einwirkung der Papierqualität. Probleme gab es bei einigen Proben, die mit einer Quecksilberlampe gehärtet wurden, und bei etlichen Proben, die mit einer eisendotierten Quecksilberlampe behandelt wurden. Alle Proben, die mit UV-LEDs gehärtet wurden, zeigten gute Ergebnisse. Im Allgemeinen gab es keine Korrelation zwischen Härtungsgrad und Deinkability Score.

Um mehr über die Korrelation zwischen Druckbedingungen und Deinkbarkeit herauszufinden, wurden Pilotversuche an einer Bogenoffsetmaschine CD 74 durchgeführt. Für diese Tests kamen Quecksilberlampen, eisendotierte Quecksilberlampen und UV-LEDs zur UV-Härtung zum Einsatz. Es wurden glänzend und matt gestrichene sowie ungestrichene Bedruckstoffe und 16 verschiedene UV-Farben bedruckt. Die UV-Dosierung, der Druck und die Zusammensetzung des Feuchtmittels wurden variiert, und zwar bei allen 180 Varianten. Auch hier ließ sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen UV-Farbenhärtung und Deinkbarkeit feststellen. Letztendlich erwiesen sich die Farbrezeptur und der Farbauftrag der gedruckten Muster als Haupteinflussfaktoren auf die Deinkbarkeit. Das bedeutet, dass es für eine generelle Beurteilung der Deinkbarkeit von UV-Farben wichtig ist, eine Testform mit definiertem Farbauftrag zu erstellen und mindestens eine Papierqualität zu bestimmen, folgerte Beatrix Genest.

Das weitere Programm umfasste die Präsentation der Allianz 4evergreen durch Susanne Haase, die schon 60 Mitglieder über die gesamte Wertschöpfungskette der faserbasierten Verpackungen hinweg für ihre Ziele gewonnen hat. Aus der Druckerpraxis berichteten Christian Aumüller (Aumüller Druck) und Volker Hotop (Frankfurter Societäts-Druckerei). Ulrich Leberle (CEPI) informierte über die Entwicklung einer europäischen Rezyklierbarkeitsmethode für Verpackungen und Laetitia Reynaud (Intergraf) über Trends im europä­ischen Markt für Druckprodukte. Der Vortrag von Hermann Onusseit (IVK) brach schließlich eine Lanze für Klebstoff-Applikationen, die das Altpapierrecycling nicht unbedingt erschweren würden.

Link zum Bericht über das INGEDE-Symposium 2021 in EU-Recycling(Erschienen im EU-Recycling Magazin 04/2021, Seite 40)


EU Ecolabel
The EU Ecolabel

Blauer Engel und Ecolabel: Antonia Pott (RAL gGmbH) und Malgorzata Kowalska (EU-Kommission) stellten die beiden wichtigsten europäischen Umwelt­zeichen für Papier und Druckprodukte vor.

Alle Präsentationen als pdf online!

hier

INGEDE wird Mitglied des Beratergremiums
der 4evergreen Alliance

Die INGEDE ist jüngstes Mitglied der neuen Beratergruppe Industrieverbände der 4evergreen (4EG) Alliance. Diese Gruppe wird sich einmal im Monat über eine Videokonferenz über die Fortschritte bei 4evergreen informieren.

Als branchenübergreifende Allianz fördert 4evergreen Synergien zwischen Unternehmen, die sich für kohlenstoffarme und zirkuläre Verpackungen auf Faserbasis einsetzen. Durch die Zusammenführung der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht 4evergreen eine Zusammenarbeit mit einem umfassenden Blick auf den Lebenszyklus von faserbasierten Verpackungen.

Die vier 4evergreen-Workstreams treiben Standards und innovative Lösungen voran, um die Kreislauffähigkeit von faserbasierten Verpackungen zu verbessern:
– Workstream 1 erstellt ein Prüfprotokoll zur Bewertung der Recyclingfähigkeit
– Workstream 2 entwickelt Richtlinien für „Circularity by Design“.
– Workstream 3 entwickelt Richtlinien für eine verbesserte Sammlung und Sortierung
– Workstream 4 beschleunigt die Entwicklung von neuen Techniken und Prozessen

Mit Smartphone und künstlicher Intelli­genz:
Fotonower und Perlen untersuchen Altpapiereingang

Im vergangenen Jahr beauftragte die Schweizer Papierfabrik Perlen Papier das junge französische Unternehmen Fotonower damit, die Realisierbarkeit der Implementierung einer halb­auto­matisierten Eingangskontrolle (QUALI­PAPIA) im Rahmen einer Studie zu untersuchen: Durch Auswertung von Digital-Aufnahmen sollte die Altpapier­qualität im Vergleich zur Perlen-Haus­methode und der gravimetrischen Untersuchung (INGEDE-Methode 14) analysiert werden. Die Ergebnisse stellte Victor Reutenauer von Fotonower Anfang März auf dem INGEDE-Sympo­sium vor.

Hierzu lieferte Perlen 60 Datensätze zu 10 Digitalaufnahmen von üblichen Altpapierlieferungen. Diese Aufnahmen wurden mittels Smartphone erstellt und auf ein Webarchiv von Fotonower geladen.

Für dieselben Altpapier-Anlieferungen führte Perlen eine visuelle Kontrolle der Qualität mittels Perlen-Hausmethode durch (visuelle Begutachtung der Lieferung, Angabe von unerwünschten Materialien und papierfremden Bestandteilen als Summenparameter in Prozent der Lieferung). Weiterhin wurden diese Lieferungen auch gravi­metrisch ausgewertet. Auch diese Daten sind Fotonower zur Verfügung gestellt worden.

KI im Vergleich zur manu­ellen Zuordnung der Bilder

Fotonower analysierte die Datensätze einerseits automatisiert mit Hilfe künstlicher Intelligenz, weiterführend dann auch, indem einzelne Bildaus­schnitte manuell zugeordnet wurden. Die KI-Lösung ist selbstlernend und nutzte Bilder aus den Jahren 2019 und 2020 aus anderen Papierfabriken. So ist es möglich, die Auswertung mit unabhängigen Daten zu trainieren und zu testen.

Als wichtiger Faktor stellte sich die Beleuchtung heraus: Genügend Licht ist wichtig, um die Bestandteile gut zu erkennen. Eine vorgeschaltete Über­prüfung des Bildmaterials soll in Zukunft schon bei der Aufnahme gleich hinweisen, ob die Beleuchtung ausreichend ist oder nicht.

 Gravimetrische Analyse INGEDE-Methode 14Visuelle Inspektion Perlen HausmethodeQualipapia ManuellQualipapia Automatisch
Gravimetrische Analyse INGEDE-Methode 14100 %91 %83 %57 %
Visuelle Inspektion Perlen Hausmethode 100 %79 %53 %
Qualipapia Manuell  100 %70 %
Qualipapia Automatisch   100 %

Die Ergebnisse zeigen, dass die visuelle Begutachtung in Perlen eine 91 %-ige Korrelation mit der gravi­metrischen Betrachtung hat. Die manuell ausgewer­te­ten Qualipapia-Bilder zeigen immerhin eine Korrelation von 83 % zur gravi­metrischen und 79 % zur visuellen Begutachtung. Somit wird deutlich, dass es möglich ist, genügend gute Daten aus den Bildern herauszufiltern. Die automatisierte Lösung erreicht leider nur eine Korrelation von gut 50 %, hier ist Perlen in weiteren Diskussionen mit Fotonower, wie die Ergebnisse verbessert werden können.

Ein wesentlicher Aspekt dieser bild­basierten Heran­gehensweise ist jedoch, dass dies eine objektive Auswertung darstellt und somit eine transparentere Diskussion zwischen Lieferant und Nutzer ermöglicht.

Dennis Voß/Axel Fischer

Zeller+Gmelin: "UV-Farbserien
mit hervor­ragenden Deinking-Eigenschaften"

Der schwäbische Druckfarbenhersteller Zeller+Gmelin erweitert sein Angebot an deinkbaren Offsetdruckfarben, die die Recyclingfähigkeit UVbedruckter Produkte aus Papier und Karton weiter verbessern sollen. In einer Presse­mitteilung des Unternehmens heißt es, Zeller+Gmelin habe jetzt die UV-Offset­farbserien UVALUX U40 für den Commercial-Druck und UVALUX FCM U41 für den Druck von Lebensmittel­verpackungen überarbeitet.Von diesen wurden Muster auf gestrichenem und ungestrichenem Papier hergestellt und bei der INGEDE zur Deinkbarkeits­untersuchung eingereicht. Diese wurden nach der INGEDE-Methode 11 untersucht und nach dem standardi­sier­ten Bewertungsverfahren des Europä­ischen Altpapierrats, dem „Assessment of Printed Product Recyclability Deinkability Score“ (EPRC 2017), als „gut deinkbar“ bewertet.

Dazu hatten Michael Handl als Gruppen­leiter (F&E) für Commercials & Packa­ging und Nadine Hofmann als verant­wortliche Produktmanagerin das INGEDE-Labor in Bietigheim-Bissingen besucht. Zuvor arbeiteten die Forscher bei Zeller+Gmelin intensiv an der Umsetzung eine Prüfmethode in ihren eigenen Labors und konnte so zügig eine Vorabbewertung der Deinkbarkeit durchführen. Die INGEDE begrüßt das Interesse am Thema Deinkbarkeit und die entsprechende recycling­freundliche Weiterentwicklung.

Darüber hinaus sei auch die neue UVALUX LED U540 Commercial, eine LEDUVFarbserie für den LEDBogenund Rollenoffsetdruck, deinkbar. UV-Farben bieten durch ihre schnelle Trocknung Vorteile im Druckprozess. Allerdings sind sie beim Recycling des Papiers oft nur schwer zu entfernen. Die neuen Farben sollen dazu beitragen, auch Verpackungen heute so ressour­censchonend wie möglich zu gestalten, um „das von der EU definierte Recyc­ling­ziel für Papier- und Kartonver­pa­ckungen, die Recyclingquote bis 2030 von 60 % auf 85 % zu erhöhen“, zu unterstützen, heißt es in der Mitteilung.

Quelle: Pressemitteilung von Zeller+Gmelin/fis

Bild: Zeller+Gmelin

Burgo Group ist erster Gold-Partner der INGEDE

Mit der Burgo Group hat die INGEDE ihren ersten Gold-Partner gewonnen – und gleichzeitig das erste Papierunternehmen als Partner. Burgo war früher aktives Mitglied der INGEDE, als das Unternehmen in den Werken Mantova und Marzabotto noch selbst deinkte. Mittlerweile wird zugekaufter deinkter Stoff für grafische Papiere eingesetzt.

Mit dem Verkauf von 1,99 Millionen Tonnen Papier im Jahr 2019 ist die Burgo Group ein führender Partner für Unternehmen in den Bereichen Grafik, Druck, Verlagswesen und Verpackung. Die Produktion und der Vertrieb von grafischen Papieren, Containerkarton und Spezialpapieren (z. B. Papier für Lebensmittelverpackungen) sind die Hauptaktivitäten der Gruppe, die auch in der Produktion und dem Vertrieb von Faserrohstoffen und Energie tätig ist.

Zur Burgo-Gruppe gehören 12 Werke, davon 11 in Italien und eines in Belgien, sie betreibt
15 Papiermaschinen und zwei Produktionslinien für chemischen Zellstoff sowie eine Produktionslinie für mechanischen Zellstoff für den internen Gebrauch.

Die Geschichte der Burgo Gruppe begann an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert, als der junge Ingenieur Luigi Burgo ein Wasserkraftwerk in Verzuolo, Piemont, errichtete (1899) und anschließend seine erste Papierfabrik gründete (1905). Seitdem ist das Unternehmen kontinuierlich gewachsen. In den 1980er Jahren begann mit dem Kontakt zwischen den Unternehmen Burgo und Marchi eine neue und profitable Partnerschaft.

Die INGEDE freut sich, mit der Burgo Group wieder verstärkt in Sachen Papierrecycling zusammenarbeiten zu können!

Mehr zum INGEDE-Partnerprogramm

Unter der historischen Marke Burgo – erkennbar an den vier b’s – umfasst der Katalog der grafi­schen Papiere der Gruppe nun viele fortschritt­liche, hochwertige Produkte, zusätzlich zu dem reichhaltigen Sortiment an holzfreien Papieren für hochwertige Drucke und dem Angebot an gestrichenen Papieren für das Verlagswesen.

Dazu gehören Recyclingpapiere, ideal für beson­ders nachhaltige Publishing-Projekte, digitale Inkjet- und Laser­druck­papiere, konzipiert für Marketing­projekte, für transpromotionale Kommu­nikation und für den Druck von Dokumenten, einschließ­lich hochwertiger Papiere für niedrige Auflagen, und schließlich natürlich leichte, sehr dünne und hoch opake Papiere, für pharmazeu­tische und kosmetische Broschüren oder für Bücher mit hoher Seitenzahl. Das Sortiment wird durch zuverlässige, umweltfreundliche Büro­papiere ergänzt.

Das Burgo-Werk Verzuolo im italienischen Piemont

Bild: www.burgo.com

Print lebt – auch bei der österreichischen Polizei: auf Lenzing Papier

„INSIDE“, das Magazin der Landespolizeidirektion Oberösterreich und Polizei Sport ÖPOLSV, wird umweltfreundlicher: Aumayer Druck in Munderfing druckt die Zeitschrift in Zukunft auf „Vivus 100“, einem ungestrichenen Recyclingpapier von Lenzing Papier. Weitere Landespolizeidirektionen werden diesem Beispiel folgen und das bisher verwendete gestrichene Frischfaserpapier durch lokal produziertes Recyclingpapier ersetzen. Mit den entsprechenden deinkbaren Druckfarben qualifizieren sich die Magazine damit auch für das österreichische Umweltzeichen für Druckprodukte.

Schönfelder investiert
in Papierfabrik Kriebstein

Die Schönfelder Gruppe, Annaberg, will am Standort der Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein GmbH (K&N Paper), Kriebstein, investieren. Dazu hat das Unternehmen ein Investitions­paket geschnürt.

Die Investition hat zum Ziel, das Alt­pa­pierlager zu erweitern und Produktions­anlagen zu modernisieren, erklärt das Unternehmen gegenüber EUWID. Die Arbeiten sollen im Sommer beginnen, die Aufträge an die entsprechenden Firmen sind vergeben. Die einzelnen Maßnahmen erfordern die Unterbre­chung der Produktion in Kriebstein um mehr als eine Woche. Geplant sei, alle Arbeiten bis zum Spätsommer abge­schlos­sen zu haben.

Schönfelder hatte die insolvente Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein im vergangenen Jahr übernommen.

Den ausführlichen Artikel lesen Abonnenten in EUWID Papier und Zellstoff.

iarigai 19.-24. September in Athen

Die hellenischen Gemeinschaften der grafischen Kommunikation – Medien, Druck und Verpackung – begrüßen iarigai und IC in Athen, Griechenland, zu ihren jährlichen wissenschaftlichen Konferenzen, die vom 19. bis 24. Sep­tember 2021 stattfinden werden. iarigai – die Internationale Vereini­gung der Forschungs­organisationen für die Informations-, Medien- und grafische Industrie – und IC, der Internationale Zusammenschluss der Bildungsinstitute für grafische Medien­technologie und Management gehören zu den prominentesten Forschungs- und Fortbildungs­organi­sationen für die Bereiche Druck, Medien und Verpackung weltweit.

Die Organisatoren laden alle, die in den Fachrichtungen grafische Kommunikation – Medien, Druck und Verpackung tätig sind, zur Teilnahme an den Konferenzen ein. Forscher und Unternehmer, Mitarbeiter und Firmen, Studenten und Pädagogen, Geschäfts- und Produktionsunternehmen sind herzlich eingeladen, sich anzumelden, entweder als Referenten von wissenschaftlichen und technischen Beiträgen oder als Teilnehmer an beiden Konferenzen.

Die INGEDE wird sich mit einem Beitrag zu nachhaltigen Druckerzeugnissen beteiligen.

Mehr dazu: iarigai-ic-athens2021.org

Internationaler bvse-Altpapiertag am 22. April:
"Altpapier ist der wichtigste Rohstoff der Papierindustrie"

Wie wird die Altpapiernachfrage nach der Pandemie aussehen? Wo stehen Deutschland und Europa im weltweiten Wettbewerb um den Rohstoff Altpapier und was bedeutet das für unsere Betriebe? Welche praktischen Probleme bringen die neuen Barriere-Verpackungen für die Sortierbetriebe mit sich? Werden Grafische Papiere für die Papierindustrie künftig noch verfügbar sein? Wie steht es um die Zukunft der Deinking-Sortierung? Das waren Themen beim Altpapiertag des bvse.

Werner Steingaß, bvse-Vizepräsident und Vorsitzender des Fachverbandes Papierrecycling, verwies in seinem Beitrag darauf, dass die weltweite Nutzung von Altpapier seit Jahren steigt. Mehr als 250 Millionen Tonnen Altpapier jährlich werden von der Papierindustrie verarbeitet. Steingaß: „Diese Entwicklung zeigt, dass Altpapier der wichtigste Rohstoff der Papierindustrie ist.“

Dennoch, die letzten Jahre waren für die Altpapier­unternehmen nicht einfach, wie der bvse-Vize­präsident ausführte. So musste sich die Branche auf den Strukturwandel in den asiatischen Märkten einstellen. Das war insbesondere für die exportierenden Unternehmen eine große Herausforderung. „Aktuell erleben wir die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wir stellen fest, dass die Altpapier­erfassungsmenge deutlich gesunken ist. Damit einhergehend hat dies zu einem drastischen Angebots­rückgang von Altpapier und zu Preisbewegungen geführt, die wir in diesem Maße noch nie gesehen haben“, so Werner Steingaß.

Als wichtig bezeichnete es Steingaß, weltweit die Altpapier-Sammelstrukturen zu verbessern. Altpapier müsse getrennt von anderen Materialien gesammelt werden, denn dies sei die Basis dafür, dass die Altpapierbranche weltweit die Papierindustrie mit qualitativ hochwertigem Altpapier ausreichend versorgen könne. Der Vorsitzende des bvse Fachverbandes Papierrecycling verwies abschließend darauf, dass nicht nur die Weltbevölkerung, sondern auch der Bedarf nach Verpackungen und damit nach Altpapier stetig steigen werde.

Mehr dazu: altpapiertag2021.bvse.de

Frischfaser oder Recyclingpapier?

Fakten zu einer Pressemitteilung von Iggesund Papier

Fakten (und ein paar Gedanken) zur aktuellen Irritation durch einen Vergleich der Klimafreundlichkeit von Recyclingpapier und Frischfaser

 1) Wie die Überschrift schon sagt: Auslöser der aktuellen Diskussion ist eine Pressemitteilung von Iggesund, also einem skandinavischen Hersteller von Papier bzw. Verpackungen aus Frischfaser. Die Kennzeichnung als Marketingmaßnahme durch eine entsprechende Quellenangabe erfolgte beispiels­weise, wenn auch dezent, bei der Wiedergabe auf der Seite Global Print Monitor, ist aber bei print.de, dem „Zentralorgan“ der deutschen Drucker versehentlich unterblieben und hat für entsprechende Irritationen und Verunsicherung gesorgt.

2) Der Pressemitteilung liegt eine entsprechende Studie von Wissenschaftlern der Yale University zusammen mit dem University College London zugrunde, die im Oktober 2020 in Nature Sustainability veröffentlicht wurde. Eingereicht wurde die Arbeit am 24. Juli 2019, nur wenige Monate, nachdem Holmen eine Studie, die zu ähnlichen Aussagen kommt, veröffentlichte. Diese „Holmen-Studie“ wurde von schwedischen Forschern erarbeitet (IVL Swedish Environmental Research Institute) und vielfach kritisiert, weil beispielsweise weder Wasser noch Abwasser noch der Chemikalienverbrauch berück­sichtigt wurden. Auch wenn der zeitliche Zusammenhang auffällig erscheint, habe Iggesund bzw. Holmen mit der „Yale-Studie“ nichts zu tun, wie Iggesund mitteilt. Iggesund habe diese als „interes­sante Perspektive“ aufgegriffen, sei jedoch an deren Entstehen nicht beteiligt und habe diese auch nicht finanziell unterstützt.

3) Grundsätzliches Problem Nummer 1: Jede Studie zur Klimawirksamkeit eines Produkts oder Prozesses ist anders. Die Ergebnisse variieren breit von Studie zu Studie und hängen insbesondere von den angenommenen Randbedingungen ab. Je nachdem, in welchem Maße beispielsweise Vorprodukte oder Transporte in die Rechnung einbezogen werden. Daraus folgt das grundsätzliche Problem Nummer 2: Werte zur Klimawirksamkeit eines Produkte oder Prozesses, hier ausgedrückt in Kilogramm Kohlendioxid pro Tonne Papier, aus verschiedenen Studien mit verschiedenen Annahmen sind nicht seriös vergleichbar.

4) Ein solcher Vergleich von Recyclingpapier und Frischfaser ist nicht zielführend. Hier eine Konkurrenz zu sehen oder aus Marketinggründen aufzubauen, ist – Marketing, leider. Frischfaser und Papierrecycling haben nebeneinander ihre Berechtigung. Ohne Frischfaser gäbe es kein Recycling, und ohne Recycling nicht genügend frische Fasern, um den Bedarf vor allem für kurzlebige Druck­produkte und Verpackungen zu decken. Die Kreislaufwirtschaft ist ein erklärtes umwelt­politisches Ziel und Konsens. Altpapier als Ressource nicht zu nutzen wäre anachronistisch, Verschwendung. Dass hierzulande die Herstellung von Papier aus Altpapier deutlich weniger Energie und deutlich weniger Wasser benötigt als Frischfaser, zudem Ressourcen bewahrt, steht außer Frage, ist Legitimation für Blaue Engel und weitere Umweltzeichen – und mag Hintergrund der Marketingnöte skandinavischer Frischfaserproduzenten sein, die angesichts einer auch pandemie­bedingt insgesamt sinkenden Nachfrage nach Papier Marktanteile zu retten versuchen.

5) In der Pressemitteilung wird die Yale-Studie zunächst zusammengefasst, dann werden im Sinne des Herausgebers nützliche Aussagen hervorgehoben. Auch wenn in der Studie viele weitere Aussagen gemacht werden, die auch andere Aussagen erlauben würden. Und man auch methodisch bzw. zu den getroffenen Annahmen und Randbedingungen anderer Meinung sein kann, dazu später. Dann allerdings kommen über ein Zitat eigene Zahlen ins Spiel, die nichts mit der Studie selbst zu tun haben. Aber: Beim flüchtigen Leser bleibt der Eindruck, auch diese entstammten der Studie.

6) Äpfel, Birnen, Preiselbeeren: In der Pressemitteilung heißt es, dass „Iggesund bei der Herstellung von Invercote-Karton 33 kg pro Tonne an direkten CO2-Emissionen verursacht“, verglichen mit einem „führenden europäischen Hersteller von Recyclingfasern (, der) laut seinem eigenen Umweltbericht 294 kg CO2 pro Tonne ausstößt. Noch höher sind die Emissionen bei einigen amerikanischen Papier­recyclern, die mehr als 1.000 kg pro Tonne freisetzen.“ Die Annahmen, unter denen diese Zahlen ermittelt wurden, fehlen – und natürlich streuen die von einzelnen Unternehmen oder Instituten veröffentlichen Werte breit, je nachdem, wer rechnet und mit welchem Modell.

„Direkte“ Emissionen heißt, nur bei der Herstellung, ohne Berücksichtigung von Vorprodukten und Transporten. In Skandinavien also mit Strom aus Wasserkraft und Kernenergie, angesetzt mit CO2-Emission Null. Möchte ich als Kunde dieses Produkt nutzen und für meinen Betrieb in Frankfurt oder Stuttgart bilanzieren, kommt dazu ein erklecklicher Rucksack für knapp 2.000 Kilometer Transport: Mit 111 g CO2-Äquivalenten pro Kilometer (Quelle: Umweltbundesamt) sind dies schon 222 kg/t, womit sich der angebliche Umweltvorteil der skandinavischen Frischfaser drastisch relativiert gegen­über einem Recycling in Deutschland, das allerdings wiederum durch einen anderen Strommix in der Rechnung belastet wird. Hier Durchschnittswerte anzunehmen wird wiederum einem Unter­nehmen nicht gerecht, das seinen Strom umweltfreundlich mit Kraft-Wärme-Kopplung unter Verwendung von Ersatzbrennstoff erzeugt, was in der Ökobilanz gleichzusetzen wäre mit skandi­navischem Strom. Das Pingpong-Spiel ließe sich beliebig fortsetzen, jede Annahme variieren, der eine oder andere Parameter auch entsprechend dem gewünschten Ergebnis berücksichtigen oder vernachlässigen.

7) Die Yale-Studie modelliert insgesamt 27 verschiedene Szenarien. Die plakativ zitierte Kernaussage leitet sich jedoch lediglich aus einem Szenario ab, das von einer radikalen Änderung der Material­ströme (maximale Recyclingrate und verringerte Frischfaserproduktion) unter Beibehaltung der aktuellen Energienutzung und Deponierung ausgeht. Nur, warum sollte sich bei einem bis 2050 gerechneten Szenario nicht auch der Energiemix ändern? Das wird sogar in der Studie als Weg genannt? Die Studie unterstellt, dass die Frischfaserproduktion ihre Energie überwiegend durch die Verbrennung von sog. Schwarzlauge (black liquor) gewinne. Diese wird als biogener Abfall und damit als klimaneutral gewertet. Die Recyclingpapierherstellung hingegen greife überwiegend auf klimaschädliche fossile Energieträger zurück. Doch was ist mit Frischfaser, für deren Herstellung nicht die Schwarzlauge genutzt wird, und Recyclern, die nicht den statistischen Strommix bestellen, siehe Pingpong, siehe oben? Nicht herausgestellte Teile der Yale-Studie skizzieren sogar Bedingungen, unter denen die Papierindustrie als Ganzes netto zu einer Senkung des Treibhausgaspotenzials bis 2050 gerechnet werden kann (Abbildung 4 der Studie). Alles eine Frage der Annahmen, der Perspektive.

8) Der Baum: Wer denkt an mich? Jetzt wird’s noch (umwelt)politischer. Papier ist nicht umwelt­schädlich, weil es aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Der Waldbestand in Europa nimmt zu. Alles richtig. Vor allem: (Bedrucktes) Papier hat sich unter vielen Bedingungen in vielen Studien als nachhaltiger erwiesen als die digitale Information via Internet, aus der Cloud, die ange­sichts stromfressender Serverplantagen, die rund um die Uhr Informationen bearbeiten, speichern und bereitstellen, geradezu eine CO2-Wolke darstellt. Es ist deshalb wenig sinnvoll, generell auf Papier verzichten zu wollen, nur um Bäume zu schützen. Aber der weltweite Druck auf den Wald lässt sich natürlich durch Papierrecycling reduzieren. Und wer dann Papier aus Frischfaser klimatechnisch gegenüber dem Recycling hervorhebt, muss sich die Frage gefallen lassen: Was ist mit den Bäumen? Diese dürfen dann vielleicht doch nicht so einfach als unendlich verfügbarer Rohstoff einfach mit „Null“ in die Bilanz eingehen? In einer ausführlichen Stellungnahme weist beispielsweise Robin Wood auf die ökologischen Probleme bei der intensiven Waldnutzung hin, auch auf die qualitativen Änderung und Schäden durch Kahlschläge, Methanfreisetzung und anschließende Holzplantagen – auch wenn hier für die Statistik die Anzahl der Bäume gleich bleibt. Noch grundsätzlicher die Debatte um die als klimaneutral angesetzten Verbrennung von Holz, „wenn Studien zeigen, dass dabei mehr Kohlendioxid pro Megawattstunde ausgestoßen wird als bei der Verbrennung von Kohle?“

9) Ökologie ist schließlich mehr als nur Kohlendioxid. Ökologie ist auch Wasserverbrauch, Abwasser­belastung, Transport, Flächenverbrauch, Diversität. Frischfaser ist nicht überall erforderlich – manch­mal wegen der physikalischen oder optischen Eigenschaften. Aber öfter als man denkt kann auch das umweltfreundlichere Recyclingpapier eingesetzt werden. Viele Studien, die den Prozess ganzheitlich durchleuchten, haben dies gezeigt. Deshalb ist die Kreislaufwirtschaft europäisches Programm. Wohin auch sonst mit dem Altpapier? Und woher sollte das ganze Holz kommen, wenn wir weniger recyceln würden? Schon jetzt gibt es kein „Abfallholz“ mehr, britische Kraftwerke verbrennen Holzpellets aus den USA, ein abgeholzter Naturpark in Estland stellt die Klimafreundlichkeit der Holzfeuerung in Frage. Auch hier setzt sich die Erkenntnis durch: Holz so intensiv zu nutzen, ist gerade nicht klimaneutral.

Fazit: Wer Recyclingpapier richtig einsetzt, entlastet die Umwelt. Und wer Papier aus Frischfaser an der richtigen Stelle nutzt, schadet der Umwelt auch nicht. Nur wer beide aus Marketinggründen gegeneinander ausspielt, belastet das Klima.

Axel Fischer (mit freundlicher Unterstützung durch viele, die auf diesem Gebiet besser bewandert sind)

Bilder: © Axel Fischer/INGEDE

Diese Zusammenstellung ist auch als Interview auf print.de erschienen, dem Webportal der Zeitschrift Deutscher Drucker: hier klicken

Lieber Herr Fischer,
gerne möchte ich zu Ihrem Artikel „Frischfaser oder Recyclingpapier“ noch einige Punkte ergänzen.

Was den Vergleich der „Klimafreundlichkeit“ von Recyclingpapier und Frischfaser betrifft, sehen wir höchst kritisch, dass die gängige Methodik der Ökobilanzierung das Verbrennen von Holz als CO2 neutral bewertet, siehe Ihr Punkt 7) „(…) dass die Frischfaserproduktion ihre Energie überwiegend durch die Verbrennung von sog. Schwarzlauge (black liquor) gewinne. Diese wird als biogener Abfall und damit als klimaneutral gewertet.“ Dass hier dringender Reformbedarf besteht, machen weltweit zahlreiche Wissenschaftler*innen deutlich, die erläutern: „Die Zeit, die von Wäldern benötigt wird, um die Kohlenstoffemissionen aus energetischer Nutzung wieder einzufangen, wird payback-Zeit oder Kohlenstoff-Schuld-Kompensationszeit (carbon debt payment time) bezeichnet und kann Jahrzehnte betragen oder gar ein Jahrhundert, bis der Zeitpunkt erreicht ist, an dem eine ausgeglichene Bilanz erreicht wird.“ (Ibisch et al. „Wälder sind Kohlenstoffspeicher. Holzverbrennung ist nicht klimaneutral“). Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch abzuwenden, haben wir aber nur noch diese eine Dekade.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass Wälder ja nicht nur entscheidende Beiträge für den Klimaschutz leisten, weshalb ihr Erhalt und ihre Regeneration essentiell sind (s. z. B. Pressmeldung BMU vom 2.9.2020). Gleichzeitig sind sie Leidtragende der Klimakrise, wie uns die Verluste der letzten trockenen Sommer erschreckend vor Augen führen. Deshalb empfehlen Waldexpert*innen von Universitäten und Umweltverbänden, mehr Biomasse, Biotop- und Totholz aufzubauen und für Schatten, Wasserspeicher, stabiles Waldinnenklima, Selbstkühlungsfunktion zu sorgen. „Ausgedehnte, dichte und biomasse­reiche Wälder schaffen sich nicht nur ein die eigene Stabilität förderndes Mikroklima (Norris et al.). sondern kühlen zudem ganze Landschaften in substanzieller Weise.“ (…) „Wo starke Humusverluste im Boden zu beklagen sind, starke Sonneneinstrahlung bis auf den Waldboden gelangt und kühlend-wasserspeichernde Strukturen wie Totholz verloren gegangen sind, wird es für jegliche Baumarten schwierig.“ (Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Pierre Ibisch, 4.11.2019, für die 41. Sitzung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zum Thema Wald am 11.11.2019). Von der Bedeutung für Wasserkreisläufe und -reinigung, Sauerstoff, Artenvielfalt, Erholungsfunktion etc. ganz zu schweigen.

Wir unterstreichen damit Ihre Aussagen: „Holz so intensiv zu nutzen, ist gerade nicht klimaneutral.“ sowie Ihren Bezug zu „Studien, wonach bei Verbrennung von Holz sogar mehr Kohlendioxid pro Megawattstunde ausgestoßen wird als bei der Verbrennung von Kohle?“ (s. Schreiben von rund 800 Wissenschaftler*innen an die EU „LETTER FROM SCIENTISTS TO THE EU PARLIAMENT REGARDING FOREST BIOMASS“, 11.1.2018); einschließlich Ihrer Verlinkung zu den ökologischen Problemen bei intensiver Waldnutzung, auf die Robin Wood hinweist.

Zu Punkt 4) Frischfaser und Papierrecycling haben zweifelsohne nebeneinander ihre Berechtigung! Ein bestimmter Anteil an Primärfasern (rund 20 Prozent) ist stets nötig, um den Papierkreislauf mit Zufuhr frischer Fasern aufrecht zu erhalten. Dabei haben aus ökologischer, Klima- und Artenschutz-politischer sowie abfallwirtschaftlicher Perspektive Priorität: 1. Papiersparen (auch wenn das von einigen Playern ungern vernommen wird – zumal unter Berück­sichtigung der Rückläufe bei den grafischen Papieren – sind Ressourceneinsparungen angesichts der ökologischen Krisen in allen Konsum­bereichen notwendig) und 2. Nutzung von Recyclingpapier. Denn auch wenn die deutsche Papierindustrie 79 % Altpapier­quote erreicht, sind es bei unserem in Deutschland verbrauchten Papier erst ungefähr 61 % (Robin Wood „Wo unser Papier wächst“). Unsere Altpapierquote bei Herstellung grafischer Papiere ohne Zeitungsdruckpapier liegt bei nur 37 %, bei Hygienepapieren bei 48 % (VDP-Leistungsbericht PAPIER 2021). Hier bestehen noch deutliche Steigerungspotenziale und dementsprechend muss die Aussage lauten: Primärfaserpapier sollte nur dann verwendet werden, wenn es absolut notwendig ist.

Zu 8) „Papier ist nicht umweltschädlich, weil es aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Der Waldbestand in Europa nimmt zu.“ Bei der Aussage zum Waldbestand ist stets zu unterscheiden nach Mengennachhaltigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit. Die schiere Menge sagt noch nichts darüber aus, ob es sich um naturnahe, standortheimische Mischwälder handelt oder z. B. um gleichaltrige Fichtenbestände oder gar – wie in Portugal und Spanien – um Monokulturen von Eukalyptus. „Diesen Produktionswäldern fehlt es an Vielfalt und sie sind anfällig für Krankheiten und Angriffe durch invasive Arten.“ Sie tragen im Gegensatz zu stabilen Wäldern die über Jahrhunderte gewachsen sind, nur sehr wenig zur Kohlenstoffbindung und zu Ökosystemfunktionen bei. Und sie sind nicht attraktiv für die Menschen als Erholungsgebiete (vgl. Robin Wood, 24.1.2021, „Recycling von Papier ist die bessere Option“). Zum anderen werden – je nach Region in Europe – sowohl Urwälder (insbesondere in Rumänien – nicht jedoch für unser Papier!) als auch schützenswerte Bestände abgeholzt (z. B. in Schweden – in vielen Fällen für die Papierindustrie, die Zellstoff und Fertigpapiere in großen Mengen nach Deutschland liefert). Entscheidend ist zudem, dass die trockenen Hitzesommer seit 2018 Wälder massiv geschädigt haben, in Deutschland ging Wald einer Flächengröße des Saarlands verloren. Angesichts fortschreitender Klimakrise ist leider mit weiteren Verlusten zu rechnen.

Eine Studie besagt außerdem: „Die steigende Nachfrage nach Forstdienstleistungen und -produkten, angetrieben von der Bioökonomie, hat dazu geführt, dass im Vergleich zum Zeitraum 2011-2015 zwischen 2016 und 2018 die Verlustrate an Biomasse in Europas Wäldern um mehr als zwei Drittel angestiegen ist (um 69 Prozent). (…) Im Vergleich zum Zeitraum 2011-2015 wurde außerdem 49 Prozent mehr Holz geerntet. Die größten Verluste gab es auf der Iberischen Halbinsel sowie in den nordischen und baltischen Ländern. Die verwendeten Satellitenbilder zeigten ferner, dass die durchschnittliche Größe der abgeernteten Flächen in ganz Europa um 34 Prozent zugenommen hat. Mit all den möglichen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, Bodenerosion und die Wasserregulierung. Der Anstieg der Abholzung sei das Ergebnis der jüngsten Ausweitung der Holzmärkte. Wenn es weiter so eine hohe Ernterate gebe, behindere dies die EU-Politik des waldbasierten Klimaschutzes ab 2020. Und die zusätzlichen Kohlenstoffverluste aus Wäldern würden zusätzliche Emissionsreduktionen in anderen Sektoren erfordern, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, warnen die Forscher.“ (DNR, 2.7.2020, „Waldflächen schwinden rapide“).

Bei 9) schreiben Sie „Frischfaser ist nicht überall erforderlich – manch­mal wegen der physikalischen oder optischen Eigenschaften. Aber öfter als man denkt kann auch das umweltfreundlichere Recyclingpapier eingesetzt werden.“ Dies würden wir gerne ergänzen: Recyclingpapier mit Blauem Engel gibt es heute für nahezu alle Anwendungen in höchster Qualität und Funktionalität. Papier aus Frischfaser sollte nur da verwendet werden, wo es absolut notwendig ist, z. B. bei Verpackung bestimmter Lebensmittel. Das Holz dafür sollte aus ökologisch nachhaltigen, möglichst heimischen Wäldern stammen – nicht aus Primärwald, schützenswerten Beständen oder industriellen Baumplanta­gen insbesondere im globalen Süden. Bei den üblichen Zellstoffimporten aus Südamerika ist höchste Vorsicht und volle Transparenz gefordert hinsichtlich Land- und Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibung von Kleinbauern. Ebenso beim Hauptlieferland unseres Papierholzes, Schweden, hinsichtlich Negativwirkungen der industriellen Waldnutzung nicht nur auf Artenvielfalt und Klima (s. Filmbeitrag „More of Everything).

Evelyn Schönheit, Forum Ökologie und Papier (FÖP)

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