INGEDE News September 2018
Prof. Dr.-Ing. Lothar Göttsching gestorben
Prof. Lothar Göttsching starb im Alter von 82 Jahren am 27. September 2018. Er leitete das Institut für Papierfabrikation der Technischen Universität Darmstadt als Nachfolger von Walter Brecht von 1971 bis 2002. Er bildete mehr als 500 Papieringenieure aus, veröffentlichte mehr als 400 Fachartikel und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Unter seiner Leitung enstanden auch die ersten Beiträge des Darmstädter Instituts zur Arbeit der INGEDE, wie die ersten INGEDE-Methoden.
Ein ausführlicher Nachruf folgt.
Was ist "Healthy Printing"?
Cradle to Cradle mit alternativen Fakten über das Deinking
Alle wollen grün sein, und Initiativen, die alle Arten von Grün vor sich her tragen, sprießen nur so aus dem Boden. Auch in der Druckindustrie. Nicht alle davon sind schlüssig, es gibt eine Reihe blendender, aber sinnfreier Werbesprüche wie den, der undeinkbare UV-Farben als mineralölfrei anpreist oder ähnlich leicht verdauliches zu Sojafarben auslobt.
Seit vielen Jahren schon verkündet die Cradle to Cradle Initiative (C2C) die Revolution in Sachen umweltfreundliches Drucken: „Voraussetzung ist, dass die Produktion die Kriterien für Nachhaltigkeit, höchste Qualität und wettbewerbsfähige Preise erfüllt.“ Im Prinzip klingen einige der Vorstellungen vertraut, so wie wertvolle Rohstoffe wie Fasern wiederzugewinnen. Aber andere Ansprüche sind weniger schlüssig und wollen dem Kunden ein Zertifikat aufnötigen, das alle zwei Jahre erneuert werden muss – gegen entsprechendes Entgelt vom „Cradle to Cradle Products Innovation Institute“. Diese Bezeichnung führt zu einer Gruppe von „Bewertern“, und diese zu EPEA, dem privaten Umweltinstitut von Michael Braungart, der nach seiner anfänglichen Arbeit für Greenpeace seit mehr als 30 Jahren im Geschäft mit dem Ökodesign ist.
Grün als Geschäftsmodell
Die Cradle to Cradle-Zertifizierung gibt es für eine Vielzahl von Produkten, vom T-Shirt bis zum Shampoo. Bei Druckprodukten wird der „biologische Kreislauf“ anvisiert, eine Reihe von Papieren wird aufgezählt, ohne dass deren Hersteller erkennbar wären. Erhältlich nur über eine österreichische Druckerei, die für die ganze Liste von „Pureprint“-Produkten zertifiziert ist, mit Papier und Druckfarben. Doch die Liste enthält Produkte, die möglicherweise kompostierbar sind, aber nicht alle sind deinkbar und damit rezyklierbar wie es ein Druckprodukt heutzutage sein sollte: Als „Pureprint Jewel“ wird auch ein „mineral paper“ beworben, ein Widerspruch in sich – eher eine Steinfolie. Das Material, „hergestellt aus gemahlenem Kalkstein (…) ist stabil und wasserfest“, erfüllt nicht die Kriterien für ein Papier – üblicherweise wird Papier aus Fasern gemacht. Es gehört zu den für ein Recycling ungeeigneten Papieren, die nur den teuren Abfall erhöhen, wenn sie versehentlich in den Recyclingprozess gelangen. Die Webseite des deutschen Vertriebs verkündet gar, dieser Gesteins-Plastik-Verbund sei „das erste umweltfreundliche Papier“.
Prinzipiell ist es sicher gut, wenn man Kinderbücher essen könnte. Wenn sie auch deinkbar wären. Ebenfalls seit vielen Jahren bewirbt der österreichische C2C-Drucker Gugler kompostierbare Druckerzeugnisse mit einem Videoclip, der „alternative Fakten“ über das Papierrecycling, insbesondere den Deinkingprozess präsentiert: Nur 60 Prozent der Fasern würden zurückgewonnen, behauptet der Zeichentrickfilm, bis zu 40 Prozent seien „mehr oder weniger giftiger Schlamm“. INGEDE hat Gugler mehrfach wegen dieser fragwürdigen Aussagen angesprochen, Gugler bezieht sich jedoch auf EPEA als wissenschaftlichen Berater in Sachen Inhalt. Die Animation ist außerdem Aufmacher der Webseite „Print the Change“, die Gugler und einen kleinen dänischen Drucker bewirbt, KLS PurePrint. Hier schließt sich der Kreis – KLS ist einer der Vertriebspartner der Cradle to Cradle-zertifizierten Steinfolie.
Inzwischen gibt es ein weiteres Teil im Puzzle rund um die C2C-Initiative, das dem Ganzen einen breiteren Rahmen geben und mehr Kunden werben soll: Mit der „Healthy Printing Initiative“ und dem zugehörigen „Healthy Printing Symposium“ will EPEA „Innovation und Nachfrage bei gesunden Druckprodukten erhöhen“. Aber was ist „gesundes Drucken“? Unter den Aktivitäten wird beschrieben: „Zertifizierung von Druckfarben. Die Anzahl und Auswahl C2C-zertifizierter Druckfarben nimmt zu!“
Nachdem Ressourcenschonung ein gemeinsames Ziel von INGEDE und der Healthy Printing Initiative ist, soll jetzt auch der Aspekt kompletter Rezyklierbarkeit (und Deinkbarkeit) Eingang in das Konzept finden – und endlich die Behauptung der 40 Prozent mehr oder weniger giftigen Schlamms auf den Prüfstand kommen. INGEDE möchte mehr fundierten Hintergrund liefern als derzeit verfügbar – eine Broschüre mit dem Titel „Druckprodukte zukunftsfähig gestalten“, die die Ziele der Healthy Printing Initiative bewerben soll, zeigt hier deutliche Schwächen, insbesondere in Sachen Papierherstellung und Recycling. Hier ist die Rede von „Millionen Tonnen problematischen Schlamms“, die „erzeugt“ werden im „wasserintensiven, so genannten ‚Deinking‘-Prozess“. Als ersten Anlauf hielt Dr. Thomas Krauthauf, Vorsitzender der INGEDE, kürzlich einen Vortrag beim Healthy Printing Symposium, in dem er erläuterte, wie begehrt Deinkingreststoffe als Rohstoff in der Zement- und Ziegelindustrie sind – und kein „giftiger Schlamm“.
Den Vortrag von Thomas Krauthauf „Recycling of Graphic Paper Products – Challenges and Trends“ können Sie hier als pdf herunterladen.
Axel Fischer
IMI Digital Printing Conference in Barcelona:
Anwendungen auf den verschiedensten Verpackungen prägten zwar das Vortragsprogramm (und spiegelten damit die nachlassende Bedeutung von Innovationen in der grafischen Industrie wider), im Publikum interessierten sich jedoch viele Vertreter von Druckerherstellern und Zulieferern für das Thema Recycling. Den Vortrag von Axel Fischer „Is Inkjet Still a Challenge for Paper Recycling and Deinking?“ können Sie hier als pdf herunterladen.
Fotos: Tim Phillips, IMI